Eine Liebschaft machte sie berühmt – ein Stück Berliner Kulturgeschichte hat sie hinterlassen
Eine preußische Prinzessin soll eine Liebschaft mit einem einfachen Offizier haben. Das jedenfalls behauptete der gemeinte Offizier Freiherr Friedrich von der Trenck in seinen Memoiren. Ob seine Erzählungen stimmen, weiß niemand. Klar ist allerdings, die preußische Prinzessin Anna Amalia ist keine gewöhnliche Frau.
In den Zimmern der Prinzessin Amalia liegen überall Musiknoten verteilt. Stapel von selbstkomponierten Werken bachscher Art und prunkvollen Militärmärschen bedecken den Boden. Sie seziert Tiere, liest über Metaphysik und schreibt im gleichen Zuge über Politik.
Amalia ist unverheiratet, was zur damaligen Zeit, in der die Heiratspolitik Preußens auf dem Höhepunkt ist, sehr ungewöhnlich ist. Bewerber hatte die junge Prinzessin genug: der König von Dänemark, Zar Peter III und ein Prinz von Mecklenburg. Doch anders als ihre politisch verheirateten Schwestern, war ihr Vater ,und nach diesem noch weniger ihr Bruder, ernsthaft bestrebt, das Mädchen zu verheiraten.
Amalia war 1723 als jüngste Tochter des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. und Sophie Dorothea von Hannover auf die Welt gekommen. Ihre älteren Geschwister waren der Kronprinz Friedrich, Wilhelmine, Friederike, Charlotte, Sophie Dorothea, Ulrike und August Wilhelm. Nach Amalia folgten schließlich noch die Prinzen Heinrich und Ferdinand.
Ihr Vater, der Soldatenkönig, ist heute noch bekannt für seine Härte gegenüber den eigenen Kindern. Besonders der Kronprinz litt unter der Behandlung des Königs. Er stellt den Sohn vor den Saufkumpanen bloß, schlug ihn und lies harte Strafen gelten.
Amalia, wie auch die anderen jüngeren Geschwister, war dem Vater nicht so stark ausgesetzt, wie der kleine Friedrich, dem sogar das geliebte Französisch, Flötenspielen und andere Leidenschaften untersagt wurden.
Die kleine Prinzessin Amalia wuchs zu einem Kind heran, welches dem Bruder in seiner Musik-Passionen folgte, konnte aber ebenso keinen Musikunterricht nehmen.
Als ihr Bruder 1740 den Thron als Friedrich II. bestieg, änderte sich das. Amalia war gerade einmal 17 Jahre alt und war zu einem Liebling des 28 Jährigen geworden. Von ihm bekam sie Noten, eine Flöte und durfte endlich Unterricht nehmen.
Aus dem kleinen Mädchen war eine junge Frau geworden, für die der Kammerdiener Lehndorf keine anderen Worte fand als „Ihr Äußeres ist bezaubernd. Und nach meiner Meinung ist sie die schönste Frau von der Welt“.
In der Familie, also unter ihren Geschwistern, wurde sie als „dicke Lily“ bezeichnet. Sie soll zwar klein und rundlich, aber wunderschön gewesen sein.
So soll sie, laut Trenck, auf der Hochzeit ihrer Schwester mit dem schwedischen König, den Freiherrn kennengelernt haben und mit ihm eine stürmische Liebschaft eingegangen sein. Dafür wurde er schließlich auch eingekerkert (so behauptet Trenck). Man wollte den Liebhaber aus dem Weg schaffen. Dennoch sei er sich ihrer Liebe immer deutlich gewesen, denn Amalia setzte sich dafür ein, dass der Gefangene im Verlies ein Fenster hatte. Es lässt sich drüber streiten, ob das nun ein Zeichen von Güte und Liebe war, denn abgesehen davon, dass diese Geste heute wie damals wohl eher amüsiert hat, war dies gar nicht so untypisch für ein Mitglied der königlichen Familie.
Von Amalias Hofmeisterin stammen Andeutungen, dass die Prinzessin nach Trencks Verhaftung nur noch eine gebrochene Frau gewesen sei.
Tatsächlich schreibt Von der Trenck in einem Brief, dass ihn Amalia, wenige Tage vor ihrem Tode 1787, empfangen habe und beide unter Tränen wortlos die Hände hielten.
Ob die Prinzessin nun wirklich eine Affäre mit dem Offizier gehabt hatte, ist ein Rätsel.
Fakt ist, dass Von der Trencks Memoiren ein Beststeller waren und die später erscheinenden Memoiren des berühmten Casanovas als Fortsetzung dieser galten. Sie machten die Prinzessin Anna Amalia berühmt.
Anna Amalia kann nun einerseits als tragisches Opfer der Umstände ihrer Zeit gesehen werden. Andererseits ist sie auch für ihre auffallende Persönlichkeit bekannt. Amalia ist zwar klug, wissbegierig und hübsch, zugeschrieben wird ihr aber auch Koketterie, andauernder Spott über andere und ihre Überheblichkeit. Es soll wenige gegeben haben, die sich nicht vor der Prinzessin fürchteten.
So schreib ihre Oberhofmeisterin: „Trotz ihrer Jugend, war sie Boshaft und sehr gefürchtet und machte uns allen viel Not und Unannehmlichkeiten“.
Ein weiteres Laster der Prinzessin ist ihre Spielsucht. Sie zockt gerne und das mit einem meistens unglücklichem Ausgang, sodass ihr Geld als Äbtissin nicht ausreicht und der König aushelfen muss.
Ihr Bruder Friedrich fürchtet Amalia nicht. Er hat die jüngere Schwester gerne um sich, obwohl er für öffentlich auftretende Frauen nur Spott übrig hat. Seine eigene Frau, die Königin von Preußen, hatte sich schon seit langen auf ein Landschlösschen zurückgezogen und beide vermieden Begegnungen.
Amalia nimmt somit die Rolle einer „First Lady“ Preußens ein, was vom Hof nicht gut aufgenommen wird. Viele beschweren sich darüber, dass sie die Prinzessin wie eine Königin behandeln sollen.
Auch im Siebenjährigen Krieg ist sie an Seiten ihres Bruders. Als einzige Frau der Königsfamilie darf sie ihn im schlesischen Feldlager besuchen.
Friedrich, dem als Kind alles Militärische abfiel, hatte sich als ein herausragender Feldherr herausgestellt, den man später „den Großen“ nennen wird.
Auch Amalia lässt sich vom Pomp des Militärs mitreißen. Sie nimmt als einzige Frau Paraden ab und komponiert Regimentsmärsche.
Mit 35 Jahren engagiert Amalia einen eigenen Musiklehrer namens Johann Gottfried Kirnberger, mit dem sie für die folgenden 25 Jahre eine enge musikalisch- intellektuelle Zusammenarbeit verbindet. Beide lassen sich besonders vom bekannten Komponisten Bach mitreißen, der zu dieser Zeit eigentlich schon aus der Mode war, denn Kirnberger war ein Schüler Bachs.
Die Prinzessin ist die einzige Frau, die zu dieser Zeit tatsächlich auch ihre Werke veröffentlicht. Zudem gründet sie ein Musikzirkel, in dem sich auch der Sohn Bachs Carl Philipp Emanuel wiederfindet.
In ihren späteren Jahren, ohne den Charakter und andere Laster abgelegt zu haben, war ihr ganzer Stolz eine Orgel, die sie sich 1755 in ihre Zimmer bauen ließ. Mit geöffneten Fenstern zog sie unter diesem Menschentrauben an und amüsierte sich: „Ich muss darüber lachen, denn ich biete ihn das Spektakel kostenlos.“
Auch ihr Lieblingsneffe Louis Ferdinand, der Sohn ihres jüngeren Bruders Ferdinand, darf auf dieser Orgel spielen und komponiert dort eine Fuge. Ein hochbegabter Junge, der später ein von Beethoven geschätzter Komponist und Klavierspieler sein wird. Trotz dieser Gnade (es ist keinesfalls selbstverständlich, dass dem Neffen dieses Instrument zur Verfügung gestellt wird) stammen die bekanntesten Worte über Amalia von dem 7-jährigen Prinzen :“Alte Hexe“.
Anna Amalia von Preußen war eine Frau mit vielen Seiten. Geschätzt als Musikerin und besonders in ihrem eigenen Zirkel verehrt, aber gleichzeitig mit einem Charakter ausgestattet, für die selbst die eigene Familie nur noch Hohn übrig hat.
Doch besonders als Begleiterin ihres Bruders, des berühmtesten Preußischen Königs, und als Figur von Gerüchten, die sie nie dementierte, bleibt sie heute noch in Erinnerung.
Ihre geliebte Orgel kann heute noch als „Amalienorgel“ in der Pfarrkirche zur Frohen Botschaft in Berlin besichtigt werden. Sie wird heute noch bespielt und ist die älteste Barockorgel Berlins.
Text: N.Pia
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Quellen: WDRZeitzeichen: Anna Amalia von Preußen